Vielleicht hast du das auch schon einmal erlebt: Du hast eine dringende Abgabefrist, ein Projekt, das unbedingt fertig werden muss, eine wichtige Präsentation, die du nächste Woche halten sollst, ein Chef, der dir im Nacken sitzt. Du läufst auf Hochtouren und plötzlich - wirst du krank. Normalerweise strotzt du nur so vor Gesundheit, aber genau jetzt, zum ungünstigsten Zeitpunkt, fesselt dich ein Virus ans Bett und verordnet dir, statt berufliche Erfolge zu feiern, für die nächsten Tage eine Zwangspause.
Was ist passiert? Du bist Zeugin oder Zeuge davon geworden, wie der Stress dein Immunsystem geschwächt und deinen Körper anfällig für Krankheiten gemacht hat. Aber warum ist das eigentlich so?
Die Wechselwirkung von Körper, Geist und Seele
Körper, Geist und Seele sind eng miteinander verbunden und befinden sich in ständigem Austausch miteinander. Dieses Wissen existiert in vielen Kulturen bereits seit Jahrtausenden. Wie stark diese Verbindung aber tatsächlich ist, das hat sich erst nach und nach durch zahlreiche sehr spannende Forschungsergebnisse gezeigt.
Vor allem das vegetative Nervensystem als Teil des zentralen Nervensystems in unserem Körper spielt bei dieser Verbindung eine wesentliche Rolle. Es ist für die Steuerung körperlicher Vorgänge verantwortlich, die wir nicht bewusst beeinflussen können, wie zum Beispiel Herzschlag, Atmung, Verdauung und Stoffwechsel, aber auch die Organtätigkeit.
Das vegetative Nervensystem gliedert sich in 3 Teile:
Sympathisches Nervensystem, auch „Nerv der Erregung“ genannt
Parasympathisches Nervensystem, auch „Nerv der Ruhe“ genannt
Enterisches Nervensystem: das Nervensystem des Magen-Darm-Trakts, das ein vollkommen selbstständiges Regelsystem ist, allerdings durch Signale vom Sympathikus und Parasympathikus beeinflusst wird (manchmal auch als „Bauchhirn“ bezeichnet)
Nerv der Erregung und Nerv der Ruhe
Der Sympathikus hat uns schon in der Steinzeit davor bewahrt, vom Säbelzahntiger oder anderen Jägern gefressen zu werden, da er eine Leistungssteigerung des Organismus bewirkt. Er versetzt den Körper in hohe Leistungsbereitschaft, bereitet ihn auf Angriff oder Flucht oder andere außergewöhnliche Anstrengungen vor.
Als „Nerv der Erregung“ ist er immer dann am aktivsten, wenn wir uns in einer Situation befinden, die wir als gefährlich einstufen. Heute ist das zwar nicht mehr der Säbelzahntiger, aber zum Beispiel die Überlastung am Arbeitsplatz, Beziehungsprobleme oder Existenzsorgen.
Wenn unsere Aufmerksamkeit weniger stark beansprucht wird und die (vermeintliche) Gefahrensituation vorbei ist, tritt der Parasympathikus, der „Nerv der Ruhe“ in den Vordergrund. Er sorgt für Entspannung und Regeneration. Ist er aktiv, können wir uns Dingen zuwenden, die nicht dem nackten Überleben dienen; kreatives Schaffen, Heilung, Genesung, Genuss.
Wie Stress im Körper entsteht
Sympathikus und Parasympathikus als wichtige Datenautobahnen im Körper sind direkt mit einem evolutionär sehr alten Teil unseres Gehirns verbunden, dem limbischen System, auch „Säugetiergehirn“ genannt. Das limbische System ist unter anderem der Sitz unserer Emotionen. Jede Emotion als Reaktion auf eine Sinneswahrnehmung wirkt sich also direkt auf unser vegetatives Nervensystem aus.
Im Idealfall stehen die beiden Gegenspieler Sympathikus und Parasympathikus in einem Gleichgewicht zueinander: Phasen der Angespanntheit und erhöhten Leistungsbereitschaft wechseln sich ab mit Phasen der Entspannung und Regeneration.
Sind wir nun mit Situationen konfrontiert, die uns in emotionalen Stress versetzen, werden diese Reize direkt über das limbische System an das vegetative Nervensystem übertragen. Unser Körper erhält das Signal „Achtung, Gefahr!“ und aktiviert daraufhin den Sympathikus.
Dauert die emotionale Belastung länger an und chronifiziert sich eventuell sogar, geraten Sympathikus und Parasympathikus dauerhaft in Ungleichgewicht. Die ständige Überbeanspruchung des Nervs der Erregung bedeutet auch eine dauerhaft erhöhte Ausschüttung von Stresshormonen wie Cortisol oder Adrenalin.
Das macht sich im Körper unter anderem durch Schlafstörungen, Nervosität, Herz-Kreislauf-Störungen, Immunschwäche, Depressionen, Konzentrationsschwierigkeiten, Diabetes oder Verdauungsprobleme bemerkbar. Andauernder Stress schwächt also unser Gehirn und unsere Organe nachhaltig, was zu körperlichen Erkrankungen und sogar bis hin zum Tod führen kann.
Grübeln macht krank
Die Krux an der Sache ist noch dazu, dass unser Körper nicht zwischen „realer“ und „erdachter“ Gefahr unterscheiden kann. Negative Gedanken alleine, vor allem in Form von intensivem Grübeln oder sich wiederholenden Gedankenschleifen, reichen schon aus, um ähnliche körperliche Reaktionen in Gang zu setzen wie real existierende emotionale Belastungen – mit allen beschriebenen Folgen.
Auch wenn der Säbelzahntiger also eigentlich nur in deinem Kopf existiert, ist er aus der Perspektive deines Körpers trotzdem real.
Gesund durch positives Denken?
Aber was bedeutet das nun eigentlich? Dass man selbst schuld ist, wenn man krank wird? Dass Gesundheit nur davon abhängt, ob man auch positiv genug denkt? Und dass man Emotionen am besten vermeidet, wenn man ein gesundes Leben führen möchte?
Nein, diese Schlussfolgerung wäre wohl zu simpel, vor allem da es ja auch noch viele andere Einflussfaktoren auf unsere Gesundheit gibt als nur unsere Gedanken und Emotionen. Ein (gesundes) Leben ohne Gefühlsregungen ist außerdem völlig utopisch und auch nicht erstrebenswert, da uns dann auch jegliches Gefühl von Freude, Glück oder Liebe verloren gehen würde.
Man kann das Wissen über diese Zusammenhänge aber für eine bewusste Bestandsaufnahme nutzen: Wieviel Stress mute ich meinem Körper eigentlich zu? Wo schade ich mir selbst durch mein Grübeln? Gibt es "emotionale Dauerbaustellen" in meinem Leben? Könnte ich bestimmte Gegebenheiten auch anders, positiver bewerten?
Es ist (bis zu einem gewissen Grad) tatsächlich so: Dein Körper ist, was du denkst.
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